... mehr zu Saug- und Stillberatung

Die Still- und Saugberatung ist ein Thema, welches mir aufgrund meiner ganz persönlichen Erfahrungen am Herzen liegt. Die Betreuung durch die Hebammen und Geburtshelfer ist in unserer Gesellschaft glücklicherweise zu einem festen Teil der Nachsorge geworden.
Startschwierigkeiten sind nichts Ungewöhnliches – wenn die Ernährung des Säuglings belastender wird, beginnt ergänzend meine Arbeit.
 
Wenn die Mutter nicht problemlos stillen kann
Einen Säugling zu ernähren, wird häufig als das Einfachste und Natürlichste auf der Welt beschrieben. Seit Jahrtausenden stillt die Mutter schließlich ihr Kind. Tatsächlich kann das Stillen aber auch schwierig sein oder auch gar nicht funktionieren.
Es kann daran liegen, dass die körperliche Verfassung der Mutter nicht optimal ist oder die Anatomie der Brust Besonderheiten aufweist. Auch diese Dinge sind keine Erfindungen der modernen Gesellschaft – solange der Mensch seine Nachkommen stillt, solange gibt es auch Hürden dabei.

Wenn die Mutter nicht stillen möchte
Möglicherweise hat die Mutter bzw. das Elternpaar auch entschieden, nicht zu stillen. Was ihr gutes Recht ist. In diesem Falle sehen sich Mütter bzw. die Eltern nicht selten mitunter harscher Kritik ausgesetzt. So wird das Stillen häufig als Inbegriff der Liebe propagiert, Fläschchengeben hingegen als Egoismus abgetan.
Die Wahrheit ist, dass beide Arten der Säuglingsernährung ihre Vor- und Nachteile haben.
Es gibt reichlich Studien, die darlegen, dass Stillen beispielsweise einen positiven Einfluss auf das Immunsystem des Kindes hat. Dies ist nicht zu bestreiten. Aber kein noch so starkes Immunsystem kann den negativen Einfluss wett machen, der entsteht, wenn eine Mutter sich gegen ihren eignen Wunsch zum Stillen genötigt fühlt. 
Die für mich wichtigste Frage lautet daher: Welcher Weg ist für Sie der richtige?
Fläschchengeben kann ein ebenso inniger, körpernaher und liebvoller Moment sein wie das Stillen. Es steht keinem/r Außenstehenden zu, dies zu verurteilen.

Saug- oder Schluckprobleme des Kindes 
Auch auf der Seite des Kindes kann das Saugen an der Brust oder der Flasche problematisch sein. Die Kinder haben einen natürlichen Saugreflex, der angeboren ist. Trotzdem kommt es vor, dass die Nahrungsaufnahme nicht ohne Hürden gelingen möchte. Anatomische Besonderheiten im Skelett, dem Mund oder des Kiefers können den Kindern das Saugen oder Schlucken erschweren. 
Hierzu gehören unter anderem:

  • orale Restriktionen wie zum Beispiel ein verkürztes Zungenband - siehe auch https://www.defagor.de
  • erhöhter Gastroösophagealer Reflux (Zurückfließen von Mageninhalt in Speiseröhre und Mundraum aufgrund unterschiedlicher möglicher Ursachen)
  • Ösophagusatresie (eine nicht durchgängige Speiseröhre - Nahrung kann vom Mund nicht in den Magen gelangen) - siehe auch https://www.keks.org
  • Tracheoösophageale Fistel (Verbindung zwischen Luft- und Speiseröhre  - Nahrung, Speichel und/oder Magensaft kann in die Lunge eindringen, umgekehrt kann Luft in den Magen gelangen)
  • Stenosen der Speiseröhre (Verengung in der Speiseröhre - Nahrung kann nicht ohne weiteres in den Magen gelangen)
  • Lippen-Kiefer-Gaumenspalten 
  • etc.

Neben der medizinischen Abklärung und Versorgung ist die Behandlung durch die Logopädie hier besonders wichtig.  

Auch Kinder, die eine Zeitlang über eine Magensonde ernährt wurden, haben nicht selten Schwierigkeiten, sich wieder an das physiologische Aufnehmen von Nahrung zu gewöhnen. Sie müssen sich erst (wieder) an den Saug-Schluck-Akt gewöhnen und ihn als Lösung für das Hungergefühl erkennen.

Zu viel Druck auf Eltern und Kind
Manchmal ist es auch die psychische Belastung der Familie, die die Situation erschwert. Hier gibt es viele Faktoren, die negativen Einfluss nehmen. Für manche Familien kann allein die standardisierte engmaschige Gewichtskontrolle des Säuglings in den ersten Lebenswochen Ursache dafür sein, zusätzlichen Druck aufbauen und den Eindruck erwecken: Egal, wie viel das Kind zu sich nimmt – es is(s)t nie genug.
Schnell befindet die Familie sich in einem Teufelskreis, der das entspannte, unbelastete Füttern nahezu unmöglich macht.

Durch individuell ausgewählte Maßnahmen kann die Ernährung des Säuglings wieder ohne Druck und Sorgen gelingen.
Diese reichen von einer angepassten Umgebung, Still- bzw. Fütterposition, über geeignete Saugaufsätze bis hin zu Saug- und Schluckstimulationen.
Wichtig ist mir, dass die von mir betreuten Familien die Maßnahmen gut in den Alltag integrieren können. Sie sollen sich innerhalb unserer gemeinsamen Arbeit wohl fühlen. Denn nur in einer vertrauten und entspannten Atmosphäre lassen sich die Schwierigkeiten effektiv bearbeiten.   



Quellen:
Both, D., & Frischknecht, K. (2007) Stillen kompakt (1. Auflage). München, Deutschland: Elsevier.
DEFAGOR Abgerufen am 19.09.2021, Von Hilfe bei kurzen Zungenbändchen - DEFAGOR Fachgesellschaft für orale Restriktionen
Gresens, R. (2016) Intuitives Stillen (4. Auflage). München, Deutschland: Kösel-Verlag.
Imlau, N. (20.05.2017) Stillen ist Liebe, Fläschchen geben auch. Abgerufen am 27.03.2021, Von https://www.zeit.de/wissen/2017-05/stillen-geburt-baby-flaschenmilch-muttermilch-stillzeit-hebamme-schwangerschaft
KEKS e.V. Abgerufen am 19.09.2021, Von  KEKS e.V. - Ösophagusatresie und kranke Speiseröhre - Home