... mehr zu palliative Logopädie

 
 
„Sie sind wichtig, weil Sie eben Sie sind. Sie sind bis zum letzten Augenblick Ihres Lebens wichtig und wir werden alles dafür tun, damit Sie nicht nur in Frieden sterben, sondern auch bis zuletzt leben können.“ Cicely Saunders – Begründerin der Palliativmedizin.

Die WHO definiert die Palliative Versorgung als Betreuung eines Menschen mit einer schweren Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung.
Die palliative Versorgung von PatientInnen ist eine interdisziplinärere Aufgabe.
Ziel ist es, körperliche, psychosoziale und spirituelle Leiden von Betroffenen und der Angehörigen zu minimieren und so bis zum Tod ein höchstmögliches Maß an Lebensqualität zu erreichen und aufrechtzuerhalten.
Die Logopädie behandelt einen Teil dieser Leiden und kann für große Entlastung sorgen.
Schwerstkranke PatientInnen leiden häufig unter Begleiterkrankungen wie Atem- und Schluckstörungen sowie Sprech- und Sprachstörungen. Besonders die Schluckstörungen (Dysphagien) liegen bei Schwerstkranken und Sterbenden mit hoher Prozentzahl vor.
Die größte Gewichtung innerhalb der palliativen Versorgung allgemein - und somit auch innerhalb der palliativen Logopädie - liegt auf dem Willen der PatientInnen und der Angehörigen.
Die zentralen Fragen sind daher: Welche Wünsche und Bedürfnisse haben PatientIn und Angehörige? Und Welche Ziele sind auch tatsächlich erreichbar und angemessen?
Anhand der Antworten auf diese Fragen kann gemeinsam ein Behandlungsplan erstellt werden, welcher regelmäßig hinterfragt und gegebenenfalls angepasst werden muss.
Die Arbeit auf Augenhöhe zwischen PatientIn, TherapeutIn und Angehörigen ist essenziell für den Behandlungserfolg. Allen Beteiligten muss klar sein, dass die palliative Logopädie keine kurativen (auf Heilung ausgerichteten) Ziele verfolgt. Es geht darum, die verbleibende Zeit so lebenswert wie möglich zu gestalten.
Die Aufgaben der Logopädie im palliativen Bereich sind vielmehr:

·       Anpassung der Nahrungsaufnahme 
Das Thema der Nahrungsaufnahme, im Rahmen der palliativen Versorgung eines Menschen, nimmt häufig viel Raum ein. Viele schwere Erkrankungen bringen Muskeldysfunktionen, herabgesetzte Sensibilität, Kraftlosigkeit, Appetitlosigkeit oder eine Sammlung dieser Symptome mit sich.
Es stellen sich folgende Fragen:
o   Was kann und möchte der/die Betroffene noch oral zu sich nehmen?
o   Welche für das Essen und Trinken notwendigen Fähigkeiten sind erhalten?
o   Besteht eine akute Gefährdung durch die orale Nahrungsaufnahme?
o   Inwieweit muss bzw. kann Nahrung den Fähigkeiten angepasst werden?
o   Was an Kompensationen und Adaptionen ist der/die Betroffene bereit und fähig umzusetzen?
o   Werden Hilfsmittel gewünscht? Welche Hilfsmittel sind sinnvoll?
Wichtig bei der Erstellung des individuellen Behandlungsplans ist: Niemand muss essen und niemandem wird das Essen grundsätzlich verboten!
 
·       Atmung/Sauerstoffversorgung
Probleme mit der Atmung können von erschwerter Atmung bis hin zu einem Erstickungsgefühl reichen und werden von vielen Betroffenen als besonders bedrohlich empfunden. Das Gefühl von akuter Atemnot ist nicht nur beklemmend, es löst mitunter auch Todesangst aus. Es muss daher unmittelbar Abhilfe geschaffen werden.
Folgende Parameter werden hier geprüft:
o   Besteht eine phasenweise oder anhaltende Atemnot?
o   Können kompensatorisch atemvertiefende und wahrnehmungsfördernde Übungen ohne größere Anstrengung durchgeführt werden?
o   Können Hilfsmittel (beispielsweise externe Sauerstoffzufuhr, Trachealkanüle und/oder maschinelle Beatmung) Abhilfe schaffen und werden sie gewünscht bzw. liegen diese bereits vor und müssen angepasst werden?
Es geht hier nicht um das Ergreifen lebensverlängernder Maßnahmen, sondern darum den PatientInnen Leid zu ersparen, um diese Phase möglichst friedvoll und entspannt zu durchleben.

·       Kommunikationsfähigkeit
Nicht selten ist die Kommunikationsfähigkeit Schwerstkranker beeinträchtigt. Sowohl Betroffene als auch Angehörige leiden sehr darunter.
Aufgabe der Logopädie ist es daher, gemeinsam mit ihnen nach Kanälen und/oder Hilfsmitteln zu suchen, die den PatientInnen die Möglichkeit geben, sich mitzuteilen. Je nach Krankheitsstadium müssen Optionen wieder neu eruiert werden. Bei weit fortgeschrittenen Stadien sind mitunter nur noch sehr basale Wege der Kommunikation möglich – hier gilt es besonders das Umfeld dabei zu unterstützen, die Kommunikation aufrecht zu erhalten.

·       Trachealkanülenmanagement
(siehe auch Trachealkanülenmanagement)
Im Unterschied zum kurativen Trachealkanülenmanagement liegt das grundsätzliche Ziel innerhalb des palliativen Trachealkanülenmanagements nicht unbedingt bei der Dekanülierung. Vielmehr sollen die Produkte und Hilfsmittel gewählt werden, welche dem/der Betroffenen am angenehmsten sind und in möglichst hohem Maße Entlastung bieten. Außerdem sollen äußere Bedingungen geschaffen werden, welche die Situation für PatientIn und Angehörige möglichst gut erträglich machen.
Hierzu können zählen:
o   Angepasstes Absaugmanagement
o   Angepasste Mundpflege/-hygiene
o   Angepasste Positionierung
o   Anleitung von Pflegenden, Angehörigen und anderen Personen des direkten Umfeldes

·       Beratung
Die Situation, in der sich die Betroffenen befinden, haben weder sie selbst noch ihre Angehörigen sich ausgesucht. Plötzlich und ständig sind sie mit Veränderungen konfrontiert, die sie nur wenig beeinflussen können. Beratung und das Führen von Gesprächen nimmt deshalb einen besonders großen Teil der logopädischen Intervention in Anspruch.
Betroffene (bzw. in Vertretung deren Angehörige)  haben ein Recht darauf, ernst genommen und alle Entscheidungen selbst zu treffen. Um dies zu ermöglich gilt es, sie über alle Möglichkeiten und deren Folgen in Kenntnis zu setzen. Ebenso steht es ihnen zu, ihre Entscheidungen zu widerrufen.
 
·       Angehörigenarbeit
Die PatientInnen stehen im Fokus der Behandlung.
Doch nicht alleine – auch die Angehörigen haben ihren festen Platz und sollten unbedingt mit einbezogen zu werden.
„Die Palliative Betreuung macht es sich zur Aufgabe, die Lebensqualität des Patienten und dessen Angehöriger zu verbessern!“
Gespräche mit den Angehörigen sind also ebenso wichtig, wie die mit den Betroffenen. Wo es gewünscht wird, können Angehörige angeleitet werden, verschiedene therapeutische Maßnahmen selbst durchzuführen. Sie sind ein aktiver PartnerIn innerhalb der Versorgung der PatientInnen und selbst direkt betroffen – ihre Wünsche, Bedürfnisse und Anliegen müssen daher ebenso berücksichtigt werden.
 
Um eine möglichst optimale palliative Betreuung zu gewährleisten, ist die enge Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen (wie beispielsweise Ärzte, Pflege, Psychologen und Seelsorge, Physio- und Ergotherapie) von großer Bedeutung.
Es ist dringend notwendig, dass alle Fachpersonen sich stetig austauschen - nicht über die Betroffenen und deren Angehörige hinweg, sondern mit ihnen als gleichberechtigte Partner.
Palliative Logopädie ist ein wichtiger Teil im multidisziplinären System der palliativen Versorgung – sie trägt maßgeblich dazu bei, die Lebensqualität bis zuletzt auf einem möglichst hohen Niveau zu stabilisieren. Ganz nach Ihren individuellen Bedürfnissen.

Quellen:
Borasio, G. (2013) Über das Sterben. München, Deutschland: dtv Verlagsgesellschaft.
Borasio, G. (2014) Selbstbestimmt sterben. München, Deutschland: dtv Verlagsgesellschaft.
Winterholler, C. (2020). Palliative Logopädie – Band 1-3. Wiesbaden, Deutschland: Springer Fachmedien.
Radbruch, L. et al. (2005). Was ist Palliativmedizin?. (Abgerufen am 01.09.2021). Von
http://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Was_ist_Palliativmedizin_Definitionen_Radbruch_Nauck_Sabatowski.pdf